Trinkwasserversorgung der Bevölkerung im Bünz- und im Reusstal auf Jahrzehnte hinaus gesichert

    Wasser 2035 ist ein Generationenprojekt. Noch in Jahrzehnten werden die Menschen im Bünz- und im Reusstal davon profitieren. Daher ist auch die ganze Region mit an Bord. Peter Lehmann, Initiator des Projekts «Wasser 2035» und Verwaltungsrat der interkommunalen Anstalt (IKA) Wasser2035, sowie Norbert Ender, Gemeindeammann Niederwil (AG) und Verwaltungsratspräsident der IKA Wasser2035, stellen dieses Leuchtturmprojekt der Trinkwasserversorgung hier vor.

    (Bild: Ruedi Haenni) Blick ins Grundwasserpumpwerk Hard II in Niederlenz, dem eigentlichen Rückgrat der IKA Wasser2035.

    Der Grundstein des künftigen Wasserverbundes IKA Wasser 2035 wurde im Juni 2022 gelegt. Was bedeutet dies für die Gemeinden im Bünztal und Reusstal?
    Peter Lehmann: Mit der Beteiligung an der IKA Wasser2035 erhalten die Mitglieder einen Anschluss an das Grundwasservorkommen im Gebiet Länzert (nordwestlich von Lenzburg) – und damit an die mächtigen Grundwasserströme des Aaretals und des Seetals. Die Versorgung der Bevölkerung im Bünz- und im Reusstal mit Trinkwasser wird somit auf Jahrzehnte hinaus gesichert. Dies nicht zuletzt auch im Hinblick auf das prognostizierte Bevölkerungswachstum: Laut den Prognosen des Kantons Aargau könnte die Zahl der Menschen im Bünz- und im Reusstal von heute ca. 77’000 bis 2050 auf rund 101’000 ansteigen – also um rund 30 Prozent.

    Sie sind der Initiator des Projektes «Wasser 2035». Welche Idee steckt dahinter?
    Peter Lehmann: Den Stein ins Rollen brachte 2013 die Anfrage der Gemeinden Niederwil und Fischbach-Göslikon, ob ihnen die ibw mittel- bis langfristig Wasser liefern könnte. Schon früher hatte ich eine vage Idee einer Verbindung von Wohlen ins Reusstal – und aufgrund dieser Anfrage entwickelten wir dann die Vision, die bestehende Transportleitung durchs das Bünztal (Lenzburg–Wohlen) mit einer neuen Leitung durch das Reusstal zu einer Ringleitung zu erweitern. Diese neue Leitung wird sich über insgesamt 19 Kilometer erstrecken.

    (Bild: Felix Wey) Peter Lehmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung der ibw in Wohlen (AG), Initiator des Projekts «Wasser 2035» und Verwaltungsrat der IKA Wasser2035.

    Was sind die grössten Herausforderungen bei der Vision dieses «Wasserrings»?
    Peter Lehmann: Die technische Machbarkeit der Ringleitung war stets unbestritten, und wir spürten auch von Anfang an viel Wohlwollen in der Region. Die grösste Herausforderung war, einen Weg zur Zusammenarbeit zu finden, ohne dass die Partner ihre Autonomie einbüssten – denn die Trinkwasserversorgung ist in einer Gemeinde von zentraler Bedeutung. Wir hatten denn auch gehörigen Respekt vor dem politischen Prozess, der nun aber mit der Gründung der IKA Wasser2035 am 9. Juni 2022 zu einem erfolgreichen Abschluss kam.
    Ausschlaggebend für die breite Akzeptanz in der Bevölkerung waren wohl letztlich zwei Punkte:

    • Wir fanden eine Lösung, «Wasser 2035» zu realisieren, ohne dass die beteiligten Wasserversorgungen ihr «Tafelsilber» veräussern mussten. Alle Anlagen und Leitungen bleiben auch künftig im Besitz der einzelnen Wasserversorgungen.
    • Dass seit dem 1. Januar 2019 auch im Kanton Aargau die Gründung einer sogenannten interkommunalen Anstalt (IKA) möglich war, hat uns zweifellos in die Hände gespielt. Denn ursprünglich war die Gründung einer Aktiengesellschaft geplant; diese Rechtsform ist jedoch für viele Menschen negativ besetzt und hätte vermutlich den einen oder die andere Stimmbürger/-in abgeschreckt.

    Was wünschen Sie sich für das Projekt «Wasser 2035»?
    Peter Lehmann: Zuerst natürlich, dass wir das Projekt nun wie geplant umsetzen und die Ringleitung bis circa 2030 in Betrieb nehmen können. Und eigentlich hoffe ich – etwas pointiert gesagt –dass die Menschen im Bünz- und im Reusstal gar nie bewusst an «Wasser 2035» denken: Denn wenn sie auch künftig jederzeit – gerade auch an trockenen und heissen Tagen – den Hahn aufdrehen können und das Wasser fliesst, dann hat «Wasser 2035» seinen Zweck erfüllt. Ähnlich wie beim Fussball: Wenn der Schiedsrichter nicht auffällt, dann hat er seine Arbeit gut gemacht.

    (Bild: zVg) Norbert Ender, Gemeindeammann Niederwil (AG) und Verwaltungsratspräsident der IKA Wasser2035.

    Woher kommt das Wasser?
    Norbert Ender: Der Grossteil des Wassers wird vom bestehenden Grundwasserpumpwerk (GWPW) Hard II in Niederlenz gefördert. Daneben kann die IKA Wasser2035 auch auf die Pumpwerke Kreuzester (Villmergen), Hintere Mulde (Bremgarten/Waltenschwil) und Karrenwald (Niederwil/Fischbach-Göslikon) zurückgreifen. Der zusätzliche Bedarf bis ins Jahr 2035 kann mit Leistungssteigerungen dieser Pumpwerke abgedeckt werden, wobei das GWPW Hard II mit einem Potenzial von zusätzlich rund 2640 Kubikmetern pro Tag im Vordergrund steht. Für den längerfristigen Zeithorizont ist geplant, im Areal Länzert ein zusätzliches Grundwasserpumpwerk (Zimberhübel) mit einer Kapazität von 10 560 Kubikmetern pro Tag zu bauen. Ein Kubikmeter entspricht 1000 Liter Wasser.

    Wie ist Wasser 2035 organisiert?
    Norbert Ender: Als Dachorganisation wurde die Rechtsform der interkommunalen Anstalt gewählt, die seit 2019 auch im Kanton Aargau als selbstständige öffentlich-rechtliche Anstalt gemäss § 82a des Gemeindegesetzes möglich ist. Diese Rechtsform gewährleistet grösstmögliche Autonomie aller Mitglieder; die Anlagen und Leitungen bleiben in Besitz der jeweiligen Trinkwasserversorgungen. Die IKA Wasser2035 umfasst insgesamt 19 Gemeinden (Bettwil, Bremgarten, Büttikon, Dintikon, Dottikon, Fahrwangen, Fischbach-Göslikon, Hägglingen, Hendschiken, Kallern, Mägenwil, Mellingen, Niederwil, Sarmenstorf, Tägerig, Uezwil, Villmergen, Waltenschwil, Wohlenschwil) sowie die IB Wohlen AG und den Regionalen Wasserverband Mutschellen mit den angeschlossenen Gemeinden Berikon, Widen, Rudolfstetten, Zufikon und Oberwil-Lieli. Die Delegiertenversammlung bildet die Legislative der IKA; die Anzahl der Delegierten entspricht der Anzahl der Mitglieder. Geleitet wird die IKA durch einen fünfköpfigen Verwaltungsrat; mit dem Mandat der operativen Geschäftsführung wurde die IBW Technik AG in Wohlen betraut. Die Aufsicht über die IKA erfolgt durch die Mitglieder sowie über einen unabhängigen Aufsichtsausschuss. Gesteuert werden die Anlagen der IKA Wasser2035 über ein zentrales Leitsystem. Der Anschluss an das Ringsystem, die Speicherung und die Verteilung des Wassers an die Bezügerinnen und Bezüger bleiben Sache der einzelnen Wasserversorgungen.

    Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Partner?
    Norbert Ender: Die Zusammenarbeit läuft bis jetzt sehr gut – wir arbeiten ebenso konsequent wie partnerschaftlich auf unser gemeinsames Ziel hin. Bei der Besetzung von Verwaltungsrat und Aufsichtsausschuss haben wir auf eine ausgewogene Vertretung der Mitglieder geachtet. Über die Delegiertenversammlung können denn auch alle Mitglieder der IKA Wasser2035 direkt auf die laufenden Geschäfte Einfluss nehmen.

    Wie wird das Projekt «Wasser 2035» finanziert und hat dies Auswirkungen auf den Wasserpreis?
    Norbert Ender: Die IKA Wasser2035 finanziert sich grundsätzlich selbst. Zur Gründung stellen die Mitglieder ein Dotationskapital von maximal 8,5 Millionen CHF bereit. Ein Kostenverteiler regelt die Aufteilung der Fixkosten und der variablen Kosten. Die Fixkosten werden über einen Mitgliederbeitrag, einen Beitrag zur Versorgungssicherheit sowie einen Leistungs-preis gedeckt. Die variablen Kosten werden über einen Arbeitspreis gedeckt, der nach effektivem Aufwand berechnet wird. Die Auswirkungen auf den Wasserpreis sind in jeder Gemeinde unterschiedlich; zuweilen sind Preisanpassungen unumgänglich. Diese wären aber auch notwendig geworden, wenn sich eine Gemeinde für eine andere Lösung entschieden hätte – denn die Versorgungssicherheit hat nun mal ihren Preis.

    Gibt es im Aargau noch ein weiteres solches Wasserprojekt oder wie sieht die Situation bezüglich Wasser in den restlichen Teilen des Kantons aus?
    Norbert Ender: Uns sind keine vergleichbaren Projekte bekannt, die spruchreif sind. Der Kanton Aargau hat jedoch signalisiert, dass er sich auch in anderen Regionen eine Zusammenarbeit der Wasserversorgungen nach dem Muster der IKA Wasser2035 vorstellen kann. Aus unserer Sicht ist es ohnehin der einzig gangbare Weg, dass die Gemeinden künftig bei der Trinkwasserversorgung stärker zusammenarbeiten. Wegen des Klimawandels werden Phasen mit Hitze und Trockenheit zunehmen. Die Zeiten, in denen jede Gemein-de für sich allein schauen konnte, sind definitiv vorbei.

    Die IKA Wasser2035 ist per 1. Januar 2023 operativ geworden. Was sind die nächsten Schritte des Projektes?
    Norbert Ender: Bis der Ring mit der zusätzlichen Leitung durch das Reusstal fertiggestellt ist, wird vorderhand nur Wasser an die angeschlossenen Gemeinden im Bünztal geliefert. Die Koordination der Wasserlieferungen sowie die Abrechnung erfolgen jedoch neu über die IKA Wasser2035. Derzeit wird die technische Planung der Ringleitung durch das Reusstal vorangetrieben. Zu klären sind insbesondere die Fragen der genauen Linienführung, der Anschlusspunkte und der Dimensionierung der Leitungen. Gleichzeitig werden der mit der Gründung 2022 begonnene Aufbau der Organisation fortgesetzt und die Prozesse etabliert. 2023 wird zudem die erste Delegiertenversammlung der IKA Wasser2035 stattfinden.

    Was wünschen Sie sich für das Projekt «Wasser 2035»?
    Norbert Ender: In allererster Linie wünsche ich mir natürlich, dass wir das Projekt nun wie geplant umsetzen können und dass «Wasser 2035» zu einem Leuchtturmprojekt für die überregionale Zusammenarbeit von Gemeinden wird. Für uns alle wünsche ich mir, dass wir, auch dank dem Projekt «Wasser 2035», stets genügend sauberes Trinkwasser haben, dass wir aber auch respektvoll und sorgfältig damit umgehen.

    Interview: Corinne Remund

    Weitere Infos:
    www.wasser2035.ch

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