Gentech-Moratorium: Politik ignoriert Wissenschaft

    Das Gentech-Moratorium müsste nicht einfallslos verlängert, sondern aufgehoben werden. Die Bevölkerung ist offener für die Chancen dieser Technologie als die Politiker.

    (Bild: PEXELS) Noch hat die Politik die Chance der Koexistenz von konventionellen Pflanzen und GV-Pflanzen nicht erkannt.

    Beim Thema Gentechnik lohnt sich ein Blick in die Geschichtsbücher, wo wir heute in dieser Diskussion stehen. Alles erinnert stark an den Kartoffelbefehl von 1756. «Es ist von uns in höchster Person in unseren anderen Provinzen die Anpflanzung der sog. Tartoffeln, als ein sehr nützliches und sowohl für Menschen als Vieh auf sehr vielfache Weise dienliches Erd-Gewächse, ernstlich anbefohlen. […]» Friedrich II hielt die Bevölkerung an, die Knollen anzubauen und zu essen. Diesen Befehl müsste man heute bei der grünen Gentechnik eigentlich auch erlassen. Dies geziemt sich allerdings nicht in einer Demokratie. Es braucht gute Argumente, um gegen den Bann gentechnisch veränderter Produkte anzutreten und diese sind zahlreich.

    Solide wissenschaftliche Grundlagen Wissenschaftlich weiss man genug, um das Gentech-Moratorium aufzuheben. Politisch will man ein- fach nicht. Nur die FDP ist bereit dazu. Seit der Volksabstimmung im Jahre 2005 sind immer noch die gleichen rückständigen Argumente im Umlauf. Seither ist politisch nichts geschehen ausser der wenig kreativen Forderung, das Moratorium wieder einmal zu verlängern. Das Gegenteil davon wäre richtig. Im Nationalen Forschungsprogramm (NFP 59) wurden solide wissenschaftliche Grundlagen erarbeitet, die klar gegen ein Technologieverbot des Anbaus von GV-Pflanzen in der Schweiz sprechen. Während Jahren der Forschung – mit Kosten von deutlich über 10 Millionen Franken – kamen zentrale Ergebnisse zustande:

    • Gentechnik führt zu weniger Einsatz von Insektenbekämpfungsmitteln.
    • Es sind damit Mehrerträge möglich, und das erst noch mit weniger Wasserverbrauch.
    • Der Anbau von GV-Pflanzen ist mit keinen Umweltrisiken verbunden, die nicht auch bei konventionell gezüchteten Pflanzen bestehen.
    • Ungeplante Kreuzungen mit anderen Pflanzen sind extrem unwahrscheinlich.
    • Der Konsum von GV-Pflanzen ist für Mensch und Tier unbedenklich.

    Wahlfreiheit der Konsumenten
    Und was macht die Politik? Sie verbietet diese Pflanzen mit dem Moratorium. Diese Ignoranz gegenüber der Wissenschaft ist störend in einem Land, das sich anschickt, wissenschaftlich zur Weltspitze zu gehören.

    Ein Gentech-Moratorium steht auch der Wahlfreiheit von Konsumentinnen und Konsumenten entgegen. Mit einem Moratorium können Schweizer Konsumenten nach wie vor keine Schweizer Produkte kaufen. Produzenten sind ebenfalls nicht frei in ihrer Anbautätigkeit. Das ist nicht liberal. Vielleicht wollen 10 oder 15 Prozent der Konsumenten solche Produkte kaufen, doch das Moratorium lässt es nicht zu. Das Argument, man müsse GV- Pflanzen verbieten, weil die Konsumentinnen und Konsumenten dies nicht nachfragen, ist absolut absurd. Es käme niemandem in den Sinn Bio-Produkte zu verbannen, nur weil deren Marktanteil sich in der Schweiz momentan bei lediglich rund 14 Prozent befindet.

    Verbot ist grotesk
    Technologisch macht das Gentech- Moratorium überhaupt keinen Sinn. In der Landwirtschaft werden seit Tausenden von Jahren die Gene der Pflanzen verändert. Mit Kälteschocks, Bestrahlung oder Kreuzung versucht man beispielsweise Mehrerträge zu generieren oder Resistenzen zu verbessern. Gentechnologie ist dabei einfach eine weitere Methode, dieselben Ziele zu erreichen. Grotesk am Gentech-Moratorium ist, dass just jene Methode, wo man am genausten weiss, was verändert wurde, verboten ist, wohingegen alle anderen Verfahren legal sind.

    Offene Bevölkerung
    Glücklicherweise ist die Bevölkerung offener als die Politik. Eine jüngst erschienene Befragung zeigt, dass die Leute weiter sind als das Parlament. 80 Prozent finden es sinnvoll, Kulturpflanzen gegen konkrete Pflanzenkrankheiten resistent zu machen. 80 Prozent sehen einen Nutzen genomeditierter Pflanzen für Entwicklungsländer.

    Lange Forschung und der Rede kurzer Sinn: In einer aufgeklärten, liberalen und wissenschaftlich gut aufgestellten Gesellschaft wie der Schweiz ist eine Koexistenz von konventionellen Pflanzen und GV- Pflanzen ohne Probleme realisierbar. Mindestens sind die neuen gentechnischen Verfahren wie die präzise Genschere CRISPR/Cas9 zu erlauben. Es gibt nichts Innovationsfeindlicheres und Hilfloseres als Technologieverbote und Moratorien. Die Politik tut gut daran, wie die Bevölkerung die Chancen der neuen gentechnischen Verfahren zu erkennen und die Wissenschafts-Ignoranz aufzugeben.

    Christian Wasserfallen,
    FDP-Nationalrat im Kanton Bern

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